Umkleiden, Rüsten oder auch Duschen gehören in vielen Berufen selbstverständlich zum Alltag. Trotzdem herrscht oft Unsicherheit, ob diese Zeit eigentlich zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit gehört. Die Antwort hängt von rechtlichen Kriterien, betrieblichen Regelungen und klarer Kommunikation ab – und ist in der Praxis entscheidend für Fairness und Transparenz.
Erfahren Sie in diesem Artikel, welche Regeln gelten, wie die Rechtsprechung urteilt und wie Unternehmen durch digitale Lösungen klare Prozesse schaffen.
Umziehzeit im Arbeitsalltag: Was steckt dahinter?
Ob die Zeit zum Umziehen vergütungspflichtig ist, hängt von klaren Vorgaben und dem Kriterium der Fremdnützigkeit ab.
Die wichtigsten Regeln einfach erklärt
Grundsätzlich ist das Umziehen privat und somit keine Arbeitszeit. Anders sieht es aus, wenn die Bedingung der Fremdnützigkeit erfüllt ist. Das ist der Fall, wenn Arbeitgebende die Kleidung vorschreiben und ein An- sowie Ablegen im Betrieb erfolgen muss. Auch die innerbetrieblichen Wegzeiten sind vergütungspflichtig, wenn das Umkleiden vorgegeben ist. Das Duschen kann zur Arbeitszeit gehören, wenn dies aus hygienischen Gründen zwingend notwendig ist.
Das Anziehen auffälliger Kleidung, wie eine Uniform, zählt meist zur Arbeitszeit, auch ohne eine ausdrückliche Anordnung. Unauffällige Kleidung, die freiwillig zu Hause angezogen wird, fällt nicht unter die vergütungspflichtige Arbeitszeit.
Was sagen Gerichte und Gesetze?
Das Arbeitszeitgesetz selbst definiert nicht ausdrücklich, ob Umziehzeiten Arbeitszeit sind. Hier schafft die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) Klarheit: Maßgeblich ist das Kriterium der Fremdnützigkeit. Muss Dienstkleidung zwingend im Betrieb getragen werden oder ist sie so auffällig, dass ein Tragen außerhalb unzumutbar wäre, zählen Umkleidezeiten und innerbetriebliche Wegezeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit (BAG 2012, Az. 5 AZR 678/11). Auch Rüstzeiten für Uniform und Schutzausrüstung im Betrieb sind einzubeziehen (BAG 2021, Az. 5 AZR 270/20). Jüngst entschied das BAG zudem, dass sogar Duschzeiten Arbeitszeit sein können, wenn eine Reinigung aus hygienischen Gründen zwingend erforderlich ist (BAG 2024, Az. 5 AZR 212/23).
Worauf Mitarbeitende und Arbeitgebende achten sollten
Bei Vergütung der Umziehzeit sollten Mitarbeitende unbedingt die Regelungen im Arbeits- bzw. Tarifvertrag kennen. Auf Basis dessen ist zu prüfen, ob das Umkleiden vom Arbeitgebenden vorgeschrieben ist. Dabei sind Auffälligkeiten der Kleidung zu berücksichtigen. Um für mögliche Streitfälle vorbereitet zu sein, sind alle Zeiten für Umkleiden, Wege und ggf. Duschen zu dokumentieren.
Arbeitgebende können Streitfälle leicht vermeiden, indem sie klare und nachvollziehbare Regelungen schaffen, wann das Umkleiden und Rüsten zur Arbeitszeit zählt. Wichtig ist außerdem, sämtliche Zeiten präzise zu erfassen – von Umkleide- und Wegezeiten bis hin zu notwendigen Duschzeiten. Eine transparente Dokumentation schützt nicht nur vor rechtlichen Auseinandersetzungen, sondern stärkt auch das Vertrauen der Mitarbeitenden.
Besonders relevant: Branchen mit klaren Vorgaben
In vielen Branchen sind klare Vorgaben zum Tragen von Arbeits- oder Schutzkleidung üblich, was die Umkleidezeit automatisch zu einem zentralen Thema macht. Je nach Tätigkeitsfeld ergeben sich dabei unterschiedliche Anforderungen und rechtliche Bewertungen.
Gesundheitswesen
Im Gesundheitswesen ist das Tragen von Schutzkleidung meist verpflichtend und das Umkleiden häufig, aus hygienischen Gründen, ausschließlich im Betrieb erlaubt. Da hier die Bedingung der Fremdnützigkeit erfüllt ist, ist die benötigte Zeit zum Umziehen in der Regel vergütungspflichtig. Dazu gehören auch die innerbetrieblichen Wegzeiten oder das Duschen, beispielsweise nach einer OP oder einem Kontakt mit infektiösem Material.
Industrie und Handwerk
Auch in der Industrie oder im Handwerk wird Arbeitskleidung häufig vorgeschrieben. Dadurch sind die Umkleide- und Wegzeiten vergütungspflichtig. Bei der Arbeit mit Schmutz, Staub oder Gefahrenstoffen zählt eine Dusche zur Arbeitszeit. Zusätzlich sind in der Industrie und im Handwerk die Rüstzeiten einzubeziehen.
Sicherheit und Schutzberufe
Polizei, Feuerwehr oder Sicherheitsdienste sind zum Tragen einer auffälligen Uniform verpflichtet. Deshalb ist die Umziehzeit Arbeitszeit, ohne dass eine ausdrückliche Anordnung erforderlich ist. Zusätzlich ist Ausrüstung (z.B. Waffe, Schutzweste, Funkgerät) anzulegen. Da auch dies fremdnützig ist, ist auch das Anlegen von Ausrüstung vergütungspflichtig. Genauso können bei starker Verschmutzung oder nach Einsätzen mit Gefahrenstoffen Duschzeiten Arbeitszeiten sein.
Wie viel Umziehzeit ist angemessen?
Wie lange Umkleidezeiten anzusetzen sind, hängt stark vom Einzelfall ab – deshalb orientiert sich die Praxis an Erfahrungswerten und arbeitsgerichtlichen Leitlinien.
Erfahrungswerte und Orientierungswerte
Es gibt keine einheitliche gesetzliche Vorgabe, wie lange die Umziehzeit in Minuten oder Stunden dauern darf. Das Bundesarbeitsgericht stellte 2012 (Az. 5 AZR 678/11) klar, dass für die vergütungspflichtige Umkleidezeit diejenige Dauer maßgeblich ist, die bei angemessener Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit erforderlich ist. In der Praxis sind das häufig 5-10 Minuten je nach Umkleidevorgang. Faktoren wie die Jahreszeit, der Umfang der Ausrüstung oder mögliche Wartezeiten können die erforderliche Umkleidezeit zusätzlich verlängern.
Worauf sich Betriebe berufen können
Betriebe können sich auf Regelungen im Arbeits- oder Tarifvertrag berufen. Diese können Umkleidezeiten explizit regeln oder ausschließen. Eine Betriebsvereinbarung zu Umzieh- und Rüstzeiten ermöglicht klare Richtlinien zur Orientierung. In jedem Fall ist die klare Erfassung der Arbeits- und Umziehzeiten wesentlich, um auch im Streitfall geschützt zu sein.
So regeln Arbeitgebende Umziehzeiten fair
Klare Regeln, offene Kommunikation und eine verlässliche Dokumentation sorgen dafür, dass Umkleide- und Rüstzeiten transparent und fair gehandhabt werden.
Transparenz schaffen im Unternehmen
Durch Richtlinien können Unternehmen Transparenz schaffen. Dazu gehören klare Definition, wann Umzieh-, Weg- und Rüstzeiten als Arbeitszeit gelten. Diese sind schriftlich in Verträgen oder Betriebsvereinbarungen zu fixieren und Mitarbeitenden offen zu kommunizieren. Wichtig ist, dass diese Regeln für alle Mitarbeitenden gleich gelten und keine Ausnahmen gemacht werden.
In der Praxis ist dies über ein HR-Portal einfach und effizient umsetzbar. Ein HR-Portal bündelt alle relevanten Informationen digital, macht Regelungen jederzeit zugänglich und erleichtert die Kommunikation zwischen HR und Mitarbeitenden.
Konflikte vermeiden durch klare Kommunikation
Konflikte rund um Umzieh- und Rüstzeiten entstehen meist durch fehlende oder unklare Kommunikation. Werden Mitarbeitende und der Betriebsrat frühzeitig eingebunden, lassen sich Erwartungen transparent klären. Schriftliche Regelungen, offene Information über rechtliche Grundlagen und regelmäßige Schulungen schaffen Vertrauen und reduzieren Missverständnisse. So wird aus einem potenziellen Streitpunkt ein klar geregelter Prozess.
Dokumentation clever lösen
Ein sauber geklärter Rahmen allein reicht jedoch nicht aus. Damit Vereinbarungen im Alltag Bestand haben, braucht es eine verlässliche Dokumentation. Erst durch die nachvollziehbare Erfassung aller relevanten Zeiten werden Transparenz und Fairness dauerhaft sichergestellt – hier knüpft die praktische Umsetzung mit digitalen Lösungen an.
Die präzise Erfassung der Arbeitszeiten einschließlich Umzieh-, Weg- und Rüstzeiten muss nicht unbedingt zusätzlichen Aufwand bedeuten. Mit digitalen Zeiterfassungssystemen ist die automatisierte Erfassung aller Arbeitszeiten leicht möglich und reduziert sogar Fehler. Einheitliche Standards sorgen dafür, dass alle Mitarbeitenden nach denselben Regeln erfasst werden. So entsteht Transparenz und im Streitfall liegen belastbare Nachweise vor, die Rechtssicherheit schaffen.
Ihre nächsten Schritte für eine rechtssichere Lösung
Damit Umkleide- und Rüstzeiten im Betrieb nicht zum Streitfall werden, lohnt sich ein praxisorientierter Ansatz: Klare Regeln, transparente Erfassung und ein offener Dialog bilden die Basis für rechtssichere Lösungen.
Tipps für HR und Führungskräfte
HR und Führungskräfte sollten klare Richtlinien zu Umkleide- und Rüstzeiten entwickeln und schriftlich festhalten. Einheitliche Standards schaffen Transparenz, vermeiden Konflikte und stellen sicher, dass alle Mitarbeitenden nach denselben Regeln behandelt werden.
Zeiterfassung sinnvoll einsetzen
Digitale Systeme ermöglichen durch die Automatisierung von Prozessen die präzise Erfassung von Umkleide-, Wege- und Rüstzeiten. Automatisierte Prozesse reduzieren Fehler, sparen Aufwand und schaffen Transparenz. So wird Rechtssicherheit gewährleistet und die Fairness gegenüber den Mitarbeitenden gestärkt.
Gespräche konstruktiv führen
Die offene Kommunikation mit Mitarbeitenden und Betriebsrat ist entscheidend. Konstruktive Gespräche über Erwartungen, rechtliche Rahmenbedingungen und konkrete Abläufe fördern Akzeptanz. So lassen sich Missverständnisse vermeiden und gemeinsame Lösungen entwickeln, die für alle Beteiligten tragfähig sind.
Kelio unterstützt Sie bei der Zeiterfassung
Moderne Zeiterfassungslösungen müssen nicht nur effizient, sondern auch rechtssicher und zukunftsfähig sein. Die Zeiterfassungssoftware von Kelio bietet eine präzise und transparente Arbeitszeiterfassung. Arbeitszeiten und Abwesenheiten werden in Echtzeit per Smartphone, PC oder Stempeluhr erfasst. Gleichzeitig werden Arbeitsstunden, Überstunden, Pausen automatisch berechnet und über moderne Schnittstellen an Tools zur Lohn- bzw. Gehaltsabrechnung übertragen. Gesetzliche Vorgaben sind direkt in der Software integriert, sodass die Einhaltung dieser sichergestellt wird.